Spezielles Konzept: Dyskalkulie
Begriffsklärung
Bei einer Rechenstörung oder Rechenschwäche geht es um Lücken im Erwerb der 4 Grundrechenarten: Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division. Es geht nicht um Lücken beim Erwerb höherer mathematischer Fähigkeiten.
Wann zeigen sich Lücken in der Rechenfähigkeit
Eine Dyskalkulie stellt sich meistens im Verlauf der Grundschulzeit heraus, dies ist aber nicht zwingend so. Manchmal zeigen sich ernste Rechenschwierigkeiten erst durch die anspruchsvolleren Sachaufgaben oder das Bruchrechnen in den höheren Klassen. Trotzdem lassen sich auch diese Schwierigkeiten auf mangelnde Basisfähigkeiten zurückführen.
Wodurch kommen Lücken in der Rechenfähigkeit zustande?
Eine der Voraussetzungen dafür, die 4 Grundrechenarten anwenden zu können, ist die Fähigkeit zum Kopfrechnen. Wird das Kopfrechnen viel zu langsam und fehlerhaft ausgeführt, kann ein mangelndes Verständnis unseres Zahlensystems zugrunde liegen, zusätzlich aber eine Schwäche darin, wie man sich Mengen bildhaft vorstellt und mit diesen Mengen in der Vorstellung „jongliert“!
Bezüglich des Zahlensystems ist meist verstanden worden, dass man eine Menge von Dingen zählen und unterschiedlich große Mengen verschiedenen Zahlensymbolen zuordnen kann. Ein erstes Problem zeigt sich oft schon darin, dass nicht ausreichend genug verstanden worden ist, dass zwar Mengen und die Zahlen selbst unendlich groß werden können, wir aber nur 9 Zahlensymbole zur Verfügung haben, um diese unendliche Größe darstellen zu können. Mengen, die größer sind als 9, werden deshalb durch einen Wechsel der Stelle von rechts nach links dargestellt und erhalten dann ein neues Zahlensymbol. Der Wert der Zahl wird also nicht nur durch das Zahlensymbol-Bild, sondern auch durch die Reihenfolge in der Stellung der Zahlen von links nach rechts symbolisiert. Das Verständnis des Zehner-Stellwert-Systems ist daher einer der ausschlaggebenden Punkte für die Fähigkeit zum Kopfrechnen. Ein weiterer Punkt ist die Fähigkeit, sich kleine Mengen konkreter Dinge exakt vorstellen und mit diesen Mengen in der Vorstellung Veränderungen vornehmen zu können. Denn wird beispielsweise bei einer Addition der Zehner überschritten, müssen zwei Teilemengen gebildet werden: Eine Teilmenge vor dem Zehner, eine Teilmenge nach dem Zehner. Die richtige „Zergliederung“ kleiner, sich ergänzender Mengen in der Vorstellung und ihre richtige Zuordnung zu Zahlensymbolen ist entscheidend, wenn der Wechsel von einer Stelle rechts nach einer Stelle links bei einer mehrstelligen Zahl vollzogen werden muss. Mengenvorstellung und Verständnis des Zahlensystems sind also kritisch für den Erwerb des Kopfrechnens, der Grundrechenarten und aller darauf aufbauenden Rechenarten.
Ziele der Rechentherapie
Auch wenn ein Verständnis des Zahlensystems und die Beherrschung der Rechentechniken vorhanden sind, kann eine mangelnde Mengenvorstellung noch bewirken, dass Sachaufgaben in der Schule und lebenspraktische Rechenaufgaben im Alltag gar nicht, falsch oder nur lückenhaft ausgeführt werden können. Eine Dyskalkulie hat somit oft auch Auswirkungen auf die eigenständige Lebensführung der Betroffenen. Ziel einer Dyskalkulietherapie ist es daher, die Alltagstauglichkeit der Rechenfähigkeit herzustellen. Da ein Alltagsbezug natürlich auch im Rechenunterricht der Schule hergestellt wird, ist es ein weiteres Ziel, wieder Anschluss an den Rechenstoff der Schule zu finden.
Förderschritte zur Behebung der Lücken
Eine genaue Diagnostik der Rechenfähigkeit,ein Herausfinden über Test und Beobachtung, ob eine Verständnis- oder Vorstellungslücke oder beides vorliegt, ist der erste Schritt der Therapieplanung. In allen Fällen wird man zunächst über eine möglichst spielerisch gestaltete Phase durch die Arbeit mit konkreten Dingen versuchen, die Funktionsweise des Zahlensystems zu veranschaulichen und ein bleibendes Verständnis dafür zu erwirken. Speziell bei mangelhaften Mengenvorstellungen ist ein Training der individuellen Vorstellungskraft ratsam. Um aber die Ebene der Arbeit mit konkreten Dingen zu überwinden, bedarf es schließlich vieler verschiedener kleiner Übungsschritte hintereinander, um auf der symbolischen Ebene zu einer automatischen Anwendung der Zahlenzergliederung zu gelangen.Erst dann lassen sich Übungen zur notwendigen Automation der Kopfrechentechniken und die weitere Vermittlung der Grundrechentechniken anschließen.Der Erwerb von Hilfstechniken wie Kompensations- und Merkstrategien kann dabei unterstützend wirken. Die Alltagstauglichkeit der Rechentechniken kann schließlich über das Lösen von Sachaufgaben überprüft werden. Hier können Aufgabenstrukturierungen zur Unterscheidung von relevanten und irrelevanten Informationen hilfreich sein.
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